Preiserhöhung bei Amazon Prime um bis zu 30%: Rechtlich zulässig?

Amazon erhöht bei seinem Prime-Abo die Preise je nach Aboform um bis zu 30%. Dazu versendet Amazon Emails an seine Kunden und bezieht sich zu Legitimierung der Erhöhung auf eine Regelung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Vor dem Hintergrund einer Entscheidung des BGH aus dem Bankrecht ist diese Vorgehensweise als rechtlich nicht unproblematisch einzuordnen.

Von Prof. Dr. Patrick Rösler, Professor für Bankrecht an der Allensbach Hochschule

Amazon hat seinen Prime-Abonnenten eine Preiserhöhung für Herbst 2022 von rund 12% für die Monatsmitgliedschaft und 30% für die Jahresmitgliedschaft angekündigt. Ob man das für gerechtfertigt hält, ist die eine Frage. Eine ganz andere ist, ob die Preiserhöhung rechtlich so möglich ist, wie das Amazon angekündigt hat. Im Grundsatz überprüfen die Gerichte keine Preiserhöhungen und beteiligen sich nicht an der freien Preisbildung im Markt. Diese hat ihre Grenzen, wenn die Schwelle zur Sittenwidrigkeit erreicht ist (§ 138 BGB) oder wenn das Gesetz klare Vorgaben macht wie z.B. bei den Buchpreisen im Buchpreisbindungsgesetz. Überprüfbar bleibt aber der Weg, wie die Preiserhöhung erfolgt. Dafür ist insbesondere das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht, §§ 305 ff. BGB) heranzuziehen.

Nach welchen Kriterien ist eine Preiserhöhung möglich?

Amazon hat zunächst seine AGB geändert und dies den Kunden per Email mitgeteilt. Grund für die Änderung der AGB war augenscheinlich eine Entscheidung des Bankrechts-Senats des BGH vom 27.04.2021, in welchem dieser den Banken untersagt, Entgelte zu erhöhen, wenn der Kunde nicht ausdrücklich zugestimmt hat. Die (unwirksame) Klausel in den AGB hatte der Bank ermöglicht, den Kunden über die Erhöhung zu informieren und wenn er sich nicht dagegen gewehrt hatte, ist die Bank von seiner Zustimmung zur Änderung ausgegangen (Zustimmungsfiktionsklausel, siehe dazu HIER). In den neuen AGB regelt Amazon nun ausführlich, nach welchen Kriterien eine Preiserhöhung möglich ist:

„5.2. Änderungen der Mitgliedsgebühren

Wir sind berechtigt, die Mitgliedsgebühr nach billigem Ermessen und sachlich gerechtfertigten sowie objektiven Kriterien anzupassen. Soweit Sie in Deutschland leben oder deutsches Recht Anwendung findet, bleibt § 315 BGB unberührt. Eine Erhöhung der Mitgliedsgebühr kommt in Betracht und eine Ermäßigung der Mitgliedsgebühr ist vorzunehmen (insgesamt: „Änderung der Mitgliedsgebühr“), um die uns entstehenden Kostensteigerungen und/oder Kostenersparnisse weiterzugeben, die auf von uns nicht beeinflussbaren äußeren Umständen beruhen und die sich auf die konkreten Kosten des Prime-Services in Ihrem Land auswirken, wie etwa Gesetzesänderungen, behördliche Verfügungen, allgemeine Preisänderungen für die erforderliche Hard- und/oder Software, Produktion und Lizensierung, sonstige allgemeine Kosten wie etwa Kosten externer Dienstleister, Lohnerhöhungen und/oder Änderungen von Steuern und Gebühren und/oder generelle und wesentliche Kostenänderungen aufgrund von Inflation oder Deflation. Eine Änderung der Mitgliedsgebühr wird nur in dem Ausmaß erfolgen, in dem sich unsere eigenen Kosten und/oder die Steuern und/oder Abgaben insgesamt reduzieren oder erhöhen. Somit werden wir Kostensteigerungen nur an Sie weitergeben, wenn und soweit diese nicht durch anderweitige Kostenreduzierungen ausgeglichen werden.

Wir werden keine Änderungen der Mitgliedsgebühr vornehmen, die sich auf das vertragliche Gleichgewicht zwischen dem Prime-Service und der von Ihnen dafür erbrachten Mitgliedsgebühr auswirken.

5.3. Wirksamwerden von allgemeinen Änderungen und Änderungen der Mitgliedsgebühr

Wenn wir allgemeine Änderungen oder Änderungen der Mitgliedsgebühr (zusammen: „Änderung“ oder „Änderungen“) vornehmen, setzen wir Sie über die Änderungen und die Gründe für diese innerhalb einer angemessenen Frist von mindestens 30 Tagen vor Inkrafttreten der Änderungen in Textform (etwa per E-Mail) in Kenntnis. Sie können die Änderungen ablehnen. Ihre Zustimmung gilt als erteilt, wenn Sie die Änderungen nicht innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Zugang der Information über die Änderungen abgelehnt haben. Die Änderungen werden dann ab dem Datum wirksam, das wir Ihnen in Textform (z.B. per E-Mail) mitgeteilt haben. Eine Änderung der Mitgliedsgebühr wird jedoch nicht vor Fälligkeit der nächsten Mitgliedsgebühr wirksam.

Sie haben die Möglichkeit, Ihre Prime Mitgliedschaft nach Ziff. 3.3 dieser Teilnahmebedingungen unentgeltlich zu kündigen. Wir werden Sie zu Beginn der Frist von mindestens 30 Tagen auf die Genehmigungswirkung bei fehlender Ablehnung, auf die für die Ablehnung geltende Frist und auf Ihre Kündigungsmöglichkeit hinweisen.

Etwaige, auch sonstige, Änderungen, die auf Ihrer ausdrücklichen vorherigen Zustimmung beruhen, bleiben von der Regelung in dieser Ziff. 5 unberührt. Erweist sich eine Änderung als ungültig, nichtig oder aus irgendeinem Grund nicht durchsetzbar, wird hierdurch die Gültigkeit und Durchsetzbarkeit der übrigen Änderungen oder Bedingungen nicht berührt.“

Für eine Entgelterhöhung sieht der BGH keine Ausnahme vor

Das erste rechtliche Problem bei der Änderung ist bereits, dass der Prime-Nutzer diesen AGB nicht zustimmen musste, Amazon hat ihn in dem Informationsmail vor die Wahl gestellt, die Änderungen zu akzeptieren oder die Mitgliedschaft zu kündigen. Das ist nach der Entscheidung des BGH vom 27.04.2021 gerade nicht mehr möglich, so dass die AGB-Änderung gar keine Wirkung entfaltet hat.

Weiter ist zu untersuchen, ob die AGB-Regelung wirksam wäre, wenn sie denn wirksam in den Vertrag einbezogen worden wäre. Beim ersten Lesen hört sich die Regelung vernünftig an, die Entgelte (Amazon bezeichnet sie als Gebühren, Gebühren erheben aber nur Behörden) können steigen und sinken, wenn die Kosten für Amazon steigen oder sinken. In diesen Fällen kann Amazon dem Kunden die Änderung mitteilen und weiterhin qua Zustimmungsfiktion von seiner Zustimmung ausgehen, so die Regelung. Die Rechtsprechung des BGH ist allerdings deutlich schärfer, er hat Ausnahmen vom Verbot einer Zustimmungsfiktionsklausel nur dann erlaubt, wenn sich die Leistung ändert, sofern das dem Kunden lediglich einen Vorteil bringt, wie z.B. bei Verbesserung der Leistung, bei technischen Neuerungen oder wenn der Gesetzgeber Vorschriften macht, die eine Veränderung des Vertrages nötig machen. Für eine Entgelterhöhung sieht der BGH jedoch keine Ausnahme vor. Von daher dürften die Regelungen selbst auch auf dünnem Eis stehen.

Der Kunde muss der Erhöhung „nur“ zustimmen

Kann Amazon nun seine Entgelte gar nicht erhöhen? Doch, natürlich. Der Kunde muss der Erhöhung „nur“ zustimmen. Das muss aber nicht schriftlich mit einer Unterschrift geschehen, das ginge auch technisch über eine Zustimmung auf der Prime-Seite, z.B. Es geht aber nicht in der Weise, dass der Nutzer bei bestehendem Vertrag gezwungen wird, einen Zustimmungs-Haken zu setzen, weil er ansonsten das Angebot nicht mehr nutzen kann. Das kann nur freiwillig und ohne „Zwang“ erfolgen. Wenn der Kunde nicht zustimmt, bleibt es Amazon freilich unbenommen, den Vertrag mit dem Kunden ordentlich zu kündigen.

Wenn Sie solche spannenden Themen aus dem Wirtschaftsrecht oder hier dem Transfer von Entscheidungen von einer Branche zu anderen interessieren, sollten Sie sich mit dem B.A. Betriebswirtschaftslehre der Allensbach Hochschule beschäftigen, in dem auch Wirtschaftsrecht gelehrt wird, auch ein Schwerpunkt Banking mit Bankrecht ist möglich.

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