Zustimmungsfiktionsklausel in AGB unwirksam: Welche Vorteile bringt das für Verbraucher?

Am 27. April 2021 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer aufsehenerregenden Entscheidung zur Zustimmungsfiktionsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Postbank Stellung genommen. Mittlerweile liegen die Gründe des Urteils vor, und über die Reichweite sind bereits heftige Diskussionen entbrannt. 

Von Prof. Dr. Patrick Rösler, Professor für Bankrecht an der Allensbach Hochschule

Was ist die Zustimmungsfiktionsklausel? 

Bisher haben praktisch alle Banken und Sparkassen in ihren AGB geregelt, dass sie Änderungen der AGB und Erhöhung von Entgelten vornehmen dürfen, wenn sie den Kunden über die Änderung/Erhöhung informieren und er dieser Information in einer bestimmten Frist nicht widerspricht. In der Praxis hat der Bankkunde ein Schreiben erhalten, entweder per Papier, per PDF im Online-Banking oder auch als Information auf dem Kontoauszugsdrucker. Wie eine solcher Informationsprozess aussehen soll, hat der Gesetzgeber für den Bereich des Zahlungsverkehrsrechts in § 675g BGB geregelt. Darin ist aber nur geregelt, wie das ablaufen soll, nicht, wie eine solche Klausel AGB-rechtlich wirksam gestaltet wird.

Was hat er BGH zur Zustimmungsfiktionsklausel entschieden? 

Genau darauf hat sich der BGH nun gestützt und ausgeführt, dass trotz § 675g BGB eine Zustimmungsfiktion der AGB-Kontrolle unterzogen werden könne. Demnach ist sie am AGB-Recht zu messen und insbesondere daraufhin zu prüfen, ob sie nicht eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners darstellt und damit nach § 307 BGB unwirksam wäre. Genau das hat der BGH bejaht, die zur Prüfung stehende Zustimmungsfiktionsklausel war sehr umfassend und hat alle Geschäfte der Bank mit dem Kunden betroffen.

Mit einer solchen Klausel könnte die Bank also jedes Vertragsverhältnis eines jeden Kunden einseitig ändern, das Schweigen würde schon genügen. Außerdem könnte sie beliebig alle Entgelte erhöhen, auch hier würde das Schweigen des Kunden auf die Information nach der bisherigen Praxis ausreichen. Das hat der BGH nun für unzulässig erklärt, die Bank muss also künftig eine Änderungsvereinbarung mit dem Kunden abschließen, wenn sie Vereinbarungen (auch AGB zählen dazu) ändern oder Entgelte erhöhen will.

Was sind die Konsequenzen für die Bankpraxis? 

Die Bank kann nun nicht mehr einseitig Änderungen durchsetzen, sondern braucht in jedem Fall die Zustimmung des Kunden. In aller Regel kann die Zustimmung auch elektronisch mit einem Häkchen oder einer TAN im Online-Banking oder einen Banking-App erklärt werden. Für die Filial-Kunden wird nichts anderes bleiben, als dass die Bank sie um eine Unterschrift in der Filiale bittet. Das ist aufwendig und teuer, völlig klar. Bei Verträgen, die der Schriftform bedürfen wie z.B. dem Bürgschaftsvertrag, muss die Änderung immer mit einer Unterschrift des Kunden erfolgen. Diese Verträge wurden aber auch bisher nicht über den Mechanismus der Zustimmungsfiktion geändert.

Darum werden sich die Banken Möglichkeiten überlegen, wie sie Vertrags- und Entgeltänderungen weitgehend technisch umsetzen. Außerdem hat der BGH den Banken ein Türchen offengelassen. Sollten die Klauseln enger gefasst sein als die bisherigen pauschalen Klauseln, könnte der Zustimmungsverzicht wirksam sein. Denkbar wäre das für Änderungen der Vertragsbedingungen, die unmittelbar durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung veranlasst werden. Außerdem für Preisänderungen, welche dem Kunden von Anfang an klarmachen, wie sie verlaufen. So werden in Österreich z.B. Kontoführungsentgelte sehr häufig mit dem Lebenshaltungskostenindex angepasst.

Was sind die Konsequenzen für die Verbraucher? 

Bankkunden, denen Entgelterhöhungen über den Mechanismus der Zustimmungsfiktion „untergeschoben“ wurden, können diese Entgelte nun zurückverlangen. Sie müssen sich dazu bei ihrer Bank melden und ihren Anspruch nach § 812 BGB geltend machen. Die Verjährung derartiger Ansprüche dürfte drei Jahre betragen. Die Bank muss bislang noch nicht automatisch auf die Kunden zugehen.

Künftig wird der Bankkunde noch mehr in das Online- oder Mobile-Banking gezwungen werden. Denn die Filialabwicklung derartiger Änderungen ist extrem aufwendig, das wird sich am Ende in teureren Kontokonditionen widerspiegeln. Es ist zu erwarten, dass die Banken von ihren Kündigungsrechten Gebrauch machen, wenn sich die Kunden gegen Entgelt- oder Vertragsänderungen sperren.

Gibt es Konsequenzen über die Bankbranche hinaus? 

Das Urteil hat zwar der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat gesprochen. Dennoch ist es nicht explizit auf AGB der Banken beschränkt. Viele andere Anbieter von Massenprodukten im Bereich Telekommunikation oder digitaler Dienstleistungen wie Streaming-Abos etc. verwenden auch Zustimmungsfiktionsklauseln. Auch diese sind von diesem Urteil betroffen. Die Details sind sicher offen, die Diskussion dazu hat gerade erst begonnen.

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