Stichtag 1. Januar 2022: Das BGB wird für digitale Produkte fit gemacht!

Eine der größten Reformen des Schuldrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch nach der grundlegenden Schuldrechtsmodernisierung vor rund 20 Jahren hat der Gesetzgeber mit speziellen Regeln für digitale Produkte zum 1.1.2022 eingeführt. Dabei hat er zwei Bereiche neu geregelt. Zum einem gibt es nun für Verbraucherverträge über digitale Produkte Sonderregelungen in §§ 327 ff. BGB, zum anderen hat der Gesetzgeber das Mängelgewährleistungsrecht im wirtschaftlich wichtigsten Vertragstyp, dem Kaufvertrag, neu geregelt und fit für digitale Produkte gemacht.

Von Prof. Dr. Patrick Rösler, Professor für Bankrecht an der Allensbach Hochschule

Verbraucherverträge über digitale Produkte

Die Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (kurz: DIDRL – (EU) 2019/770) hat zu den Regelungen über Verbraucherverträge über digitale Produkte in §§ 327 ff. BGB geführt. Diese gelten seit 1.1.2022 und ergänzen die existieren den Vertragstypen des BGB.

Die Normen befassen sich mit einer dahin völlig neuen Materie, der Normierung von Verbraucherverträgen über digitale Inhalte (Beispiele: Computerprogramme, Audiodateien, Videospiele) und digitale Dienstleistungen (Beispiele: Cloud-Computing, Streamingdienste). Diese gelten nur im Verhältnis zu Verbrauchern.

Das neue Recht definiert den Mangelbegriff für die Gewährleistung durch subjektive und objektive Anforderungen sowie Integrationsanforderungen. Bemerkenswert ist die Aktualisierungspflicht des Unternehmers: Demnach hat der Unternehmer funktionserhaltende Aktualisierungen und Sicherheitsupdates bereitzustellen. Und dies über einen „maßgeblichen Zeitraum“, der als unbestimmter Rechtsbegriff also vor allem von den Gerichten noch ausgefüllt werden muss. Für die Beurteilung, wie lange dieser Zeitraum dauert, wird auf Kriterien wie Kaufpreis, Werbeaussagen, Materialien etc. abgestellt. Bei Abo-Verpflichtungen läuft der Zeitraum auf jeden Fall so lange, wie das Abo läuft.

Neue Mängelgewährleistung im Kaufrecht

Auch hier liegt den Änderungen eine EU-Richtlinie zugrunde. Die neue Warenverkaufsrichtlinie hat die bisherige Verbrauchsgüterkaufrichtlinie abgelöst. Der EU-Gesetzgeber will diesen Wachstumsmarkt fördern und darum den europäischen Binnenmarkt harmonisieren. Durch die Integration der neuen EU-Vorgaben in das Sachmängelrecht des Kaufvertrages gelten diese bei allen Arten von Kaufverträgen, nicht nur bei Verträgen zwischen Unternehmen und Verbraucher. Also auch der B2B-Vertrag ist davon betroffen.

Die verkaufte Sache musste schon immer frei von Sach- und Rechtsmängeln sein. Die Details hat der Gesetzgeber aber neu aufgesetzt. Nach dem neu gefassten § 434 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven und den objektiven sowie den Montageanforderungen entsprechen. Beim Verkauf von Waren mir digitalen Elementen an Verbraucher kommt z.B. eine Aktualisierungsverpflichtung hinzu, welche bei Verletzung zu einem Mangel der Sache führt.

Subjektive Anforderungen an die Kaufsache

Die Kaufsache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn folgende Punkte kumulativ gegeben sind.

  • Die Sache muss die vereinbarte Beschaffenheit
  • Sie muss sich außerdem für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen und
  • mit dem im Vertrag vereinbarten Zubehör und mit Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben werden.

Zu der subjektiven Beschaffenheit gehören Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen im Vertrag vereinbart haben. Ergibt sich eine Abweichung der Soll- von der Ist-Beschaffenheit, liegt ein Sachmangel vor.

Beispiel: Hat das erworbene Kfz nur Zweiradantrieb und keinen Allradantrieb, wie dies im Kaufvertrag vereinbart war, hat, liegt ein Sachmangel gemäß § 434 BGB vor.

Objektive Anforderungen an die Kaufsache

Die Kaufsache muss außerdem (!) den objektiven Anforderungen entsprechen, um mangelfrei zu sein. Die Sache entspricht den objektiven Anforderungen, wenn sie

  • sich für die gewöhnliche Verwendung eignet,
  • eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung a) der Art der Sache und b) der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder im Auftrag des Verkäufers oder von einer anderen Person in vorhergehenden Gliedern der Vertragskette, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
  • der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und
  • mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.

Zu der üblichen objektiven Beschaffenheit gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit.

Montageanforderungen

Letztlich muss die Kaufsachen die Montageanforderungen erfüllen. Die Sache entspricht den Montageanforderungen, wenn

  • die Montage sachgemäß durchgeführt worden ist oder
  • die Montage zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.

Besonderheiten bei Waren mit digitalen Elementen

Bei Waren mit digitalen Elementen sind erweiterte Pflichten in das Gesetz aufgenommen worden. Diese sind im Abschnitt über den Verbrauchsgüterkauf geregelt (§§ 474 ff. BGB) und gelten daher nur im Verhältnis Verbraucher – Unternehmer.

In §§ 475b ff. BGB finden sich die ergänzenden Gewährleistungsvorschriften für Kaufgegenstände mit digitalen Elementen. Sie umfassen neben Smartphones & Co beispielsweise auch ein Auto mit integrierter Navigation. Für das digitale Element besteht eine Aktualisierungspflicht. Die Vorschriften über die Gewährleistung bei Waren mit digitalen Elementen ergänzen die Vorschriften aus dem allgemeinen Kaufvertragsrecht.

Beweislastumkehr: Vermutung des Vorliegens eines Mangels

Neu eingeführt wurde auch eine Verlängerung der Beweislastumkehr für das Vorliegen des Mangels. Nach § 477 BGB besteht die Vermutung, dass die Sache bereits bei Übergabe mangelhaft war, wenn innerhalb eines Jahres der Mangel aufgetreten ist. Nur bei lebenden Tieren gilt die alte Regelung von 6 Monaten weiterhin.

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