Lockdown-Auswirkungen: Recht auf Mietminderung etc.?

Für viele Unternehmen stellt sich in der Wirtschaftskrise in Folge der Corona-Lockdowns die Frage nach einer Mietminderung. Eine gesetzliche Neuregelung schafft die Möglichkeit, die von jeweils beiden Parteien nicht verschuldete Situation des Lockdowns interessengerecht zu lösen. Damit soll nicht das gesamte Risiko bei einer Partei liegen.

Von Prof. Dr. Patrick Rösler, Rechtsanwalt, Professor für Bankrecht an der Allensbach Hochschule

Gerade die vom Lockdown in der Pandemie schwer getroffene Branchen wie der stationäre Handel, die Hotelbranche, Fitnesseinrichtungen etc. kämpfen seit Beginn der Corona-Krise um ihre wirtschaftliche Existenz. Ein wesentlicher Kostenblock sind Mieten, welche bezahlt werden müssen, obwohl weder Verkauf noch Dienstleistung in den Räumen stattfinden darf. Kann der Mieter die Miete nicht mehr bezahlen, werden in der Folge dem Vermieter die Einnahmen fehlen. Zudem wird er seinen vermutlich vorhandenen Bankkredit nicht mehr bedienen können. Daher stellt sich immer wieder die Frage nach einer Mietminderung. Die Bank wird sich überlegen, ob sie ihren Kredit überhaupt noch zurückerhält. Daneben ist offen, wie sich der Wert ihrer Kreditsicherheit entwickelt, regelmäßig einer Grundschuld, wenn die Immobilie nicht mehr oder nur noch teilweise vermietbar ist. Fallende Mieteinnahmen bedeuten in aller Regel auch fallende Werte für die Immobilie.

Gesetzliche Regelung zur Mietminderung

In dieses komplizierte Geflecht hat nun der Gesetzgeber aufgrund der Pandemiesituation eingegriffen. Wirkliche Lösungsmöglichkeiten finden sich im Gesetz nicht, diesen Ball hat der Gesetzgeber quasi den Vertragsparteien zugespielt. Grundsätzlich gilt, dass vertragliche Vereinbarungen einzuhalten sind. Um hier dennoch ein Tor für Verhandlungen zu öffnen, hat der Gesetzgeber mit einer neuen Vorschrift in Art. 240 § 7 EGBGB (Einführungsgesetz zum BGB – Bürgerliches Gesetzbuch) eine neue Regelung geschaffen. Diese aufgrund der Pandemie aufgetretene Situation zwischen Mieter und Vermieter ist ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Dieses Rechtsinstitut ist in § 313 BGB geregelt und war bereits lange vor der Schuldrechtsreform (2002) entwickelt worden. In der seit 30. Dezember 2020 geltenden zusätzlichen Regelung im EGBG hat der Gesetzgeber die Verhandlungsposition der Gewerbemieter gestärkt. Klargestellt wurde, dass § 313 BGB in der Pandemie grundsätzlich Anwendung findet. Damit appelliert das Gesetz an die Verhandlungsbereitschaft der Vertragsparteien. Es gilt eine widerlegliche Vermutung, dass Corona-Schließungen einen Fall der Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB im Verhältnis zwischen dem Vermieter und dem gewerblichen Mieter darstellen.

Anwendung in der Praxis durch die Rechtsprechung

In der Rechtsprechung ist im Grundsatz anerkannt, dass der Gewerbemieter das Verwendungsrisiko der Mietsache trägt. Neben mietrechtlichen Ansprüchen kommt aber auch ein Anspruch auf Anpassung aus § 313 BGB in Betracht. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage führt in der Regel zur Minderung der Miete. Dazu existiert inzwischen eine ganze Reihe an Urteilen zur Mietminderung, die Verfahren sind auch bereits an den Oberlandesgerichten angekommen.

So hat das OLG Dresden zugunsten des Mieters entschieden und eine Mietminderung um 50 Prozent zugelassen. Das OLG Karlsruhe dagegen hat dem auf Zahlung klagenden Vermieter Recht gegeben, weil der Zustand der Mieträume die Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume weiterhin erlaube. Mieterinnen und Mietern sei es nur dann wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unzumutbar, den vollständigen Mietzins zu zahlen, wenn ihre Inanspruchnahme ihre Existenz vernichten oder ihr wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigen würde und auch die Interessenlage des Vermietenden eine Vertragsanpassung erlaube. Am Ende wird man auf die Leitlinien des BGH (Bundesgerichtshof) warten müssen. Es ist jetzt schon klar, dass es immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommt und sich pauschale Mietminderungen verbieten.

Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Bank

Für Verträge, die keine Miet- oder Pachtverhältnisse sind, ändert sich durch die gesetzliche Regelung zunächst nichts. Auf Verträge zwischen Vermieter und Bank findet die Neuregelung im EGBGB also keine Anwendung. Dennoch kann natürlich ein Fall des Wegfalls oder der Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen. Dies ist aber für den jeweiligen Einzelfall allein nach den Voraussetzungen des § 313 BGB zu beurteilen. Es kommt also darauf an, ob sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und ohne die die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Dann kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Dabei gebietet der Grundsatz der Vertragstreue aber, dass vom Vertrag nur dann abzugehen ist, wenn eine derartig grundlegende Änderung der maßgeblichen Umstände vorliegt, dass ein weiteres Festhalten an der ursprünglichen Vertragsregelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde. Gerade das Risiko unvorhersehbarer Rechtsänderungen wie einem Verkaufsverbot für den Handel gehört nicht zu den normalen wirtschaftlichen Risiken, die jedermann selbst zu tragen hat. Im Fall einer dadurch bedingten Äquivalenzstörung kommt deshalb eine Vertragsanpassung auch im Verhältnis zur Bank in Betracht.

Mit dem Darlehensnehmer eine einvernehmliche Lösung finden

Zur Grundlage des Vertrages muss bereits die Situation geworden sein, dass der Kreditnehmer als Vermieter auftritt und mit den Mieteinnahmen den Kredit jedenfalls teilweise tilgen will. Der Bank muss diese Tatsache also bekannt sein. Dies lässt sich aus dem Verwendungszweck des Kredits, aus einer erfolgten Abtretung der Mietzinsansprüche zur Sicherheit o.ä. nachweisen. In dem Fall kann davon ausgegangen werden, dass Bank und Vermieter den Vertrag so geschlossen hätten, dass der Vermieter diesen auch mit einer reduzierten Miete hätte bedienen können.

Und obwohl der Kreditnehmer ebenso wie sein Mieter das Verwendungsrisiko des Kredit wie jener der Mietsache zu tragen hat, könnte ein Gericht durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass auch im Verhältnis Bank und Vermieter eine Vertraganpassung aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage geboten ist. Die durch die Pandemie verursachte Äquivalenzstörung besteht in beiden Verträgen, dem Mietvertrag und dem Darlehensvertrag. Allerdings besteht im Darlehensvertrag keine gesetzliche Vermutung, die Nachweislast für dem Vermieter gegenüber der Bank ist also höher als die des Mieters gegenüber dem Vermieter.

Die Bank wird jedenfalls spätestens auf Nichtzahlung der fälligen Raten reagieren. Dabei wird sie von ihrem vertraglichen Rechten wie Nachbesicherung nach Nr. 13 AGB-Banken bzw Nr. 22 AGB-Sparkassen wohl zunächst eher genau so wenig Gebrauch machen wie von ihrem Kündigungsrecht nach Nr. 19 AGB-Banken bzw. Nr. 22 AGB-Sparkassen. Es bietet sich nach dem Leitbild des § 313 BGB an, mit dem Darlehensnehmer eine einvernehmliche Lösung der Ratenreduzierung oder Stundung zu treffen. Das gilt, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Mieter seinen Verpflichtungen nach Ende des Lockdowns wieder nachkommen und der Vermieter damit seinen Kredit wieder bedienen kann.

Fazit zur Mietminderung

Im Ergebnis schafft die Neuregelung im EGBGB also die Möglichkeit, die von jeweils beiden Parteien nicht verschuldete Situation des Lockdowns aufgrund der Pandemie interessengerecht zu lösen, sodass nicht bei einer Partei das gesamte Risiko liegt. Im Verhältnis Vermieter zu seiner Bank ist diese Vorschrift zwar nicht einschlägig, dennoch wird sich die Bank nach Möglichkeit im Sinne des § 313 BGB auf den Kreditnehmer zubewegen, um ihren Rückzahlungsanspruch am Ende abzusichern und für beide Seiten eine tragbare Lösung zu finden.

Weiterführende Literatur: Jordans, ForderungPraktiker 2021, abrufbar unter https://www.fch-gruppe.de/Beitrag/18147/gesetzliches-mietminderungsrecht–auswirkungen-auf-darlehensvertraege

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