Banking: Tauziehen um Prämiensparverträge

Im Banking tauchen immer wieder interessante Fragestellungen auf. Viele Jahre lang konnten Banken und Sparkassen beispielsweise nach billigem Ermessen die Zinsen auf variable Kredite und Spareinlagen anpassen. Das soll jetzt rechtlich reglementiert werden. Der BWL-Bachelor mit der Vertiefung Banking der Allensbach Hochschule klärt über solche spannenden Fragen auf.

Prof. Dr. Patrick Rösler, Rechtsanwalt und Leiter des Moduls Banking an der Allensbach Hochschule

Wenn Banken mit ihren Kunden variable Kredite oder (Spar-)Einlagen vereinbaren, stellt sich die Frage nach der Anpassung des variablen Zins‘. Über Jahrzehnte war es normal, dass sich die Bank ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (geregelt in § 315 BGB) eingeräumt hat, wonach sie nach „billigem Ermessen“ die Zinsen anpassen konnte. Billiges Ermessen bedeutet hier, dass die Zinsen nach oben und nach unten im gleichen Ausmaß und im gleichen Intervall schwanken. Die Zinsanpassung sollen also für beide Seite fair sein. Es gab aber Fälle, in denen das Ermessen für die Bank billig, für den Kunden aber teuer war. Die Zinsanpassungen erfolgte also eher zu Gunsten der Banken als zu Gunsten der Kunden.

Auch deshalb hat der BGH (Bundesgerichtshof) solche Klauseln in Prämiensparverträgen mit variabler Verzinsung bereits 2004 für unwirksam erklärt. Der BGH hat den Banken aufgegeben, diese schon immer unwirksamen Klauseln durch andere in Absprache mit dem Kunden zu ersetzen. Dabei hätte die Bank einen Referenzzinssatz einbauen müssen, der zum Sparvertrag passt und an dem sich der Sparzins hätte orientieren müssen. Notwendig ist nach der Rechtsprechung des BGH, dass sich ein variabler Zinssatz an einem Referenzzins orientiert. Nach dessen Verlauf wird der Zinssatz ständig oder zumindest in regelmäßigen Intervallen angepasst. Welcher Referenzzins für das jeweilige Bankprodukt der richtige ist, wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Ohne Bezugnahme auf einen Referenzzins kann eine Zinsanpassungsklausel nicht transparent und damit nach dem AGB-Recht nicht wirksam sein.

Bankenaufsicht nutzt zum ersten Mal Eingriffsrecht aus dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz

Nach den Erkenntnissen der Bankenaufsicht in Gestalt der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) haben einige Banken und wohl vor allem Sparkassen diese Rechtsprechung aber nicht oder nicht richtig zu Gunsten ihrer Kunden umgesetzt. Die BaFin hat den Banken und Sparkassen darum am 29. Januar 2021 eine erste breite Anwendung des bereits seit 2005 existierenden § 4 Abs. 1a FinDAG (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, kurz BaFin-Gesetz) angedroht. Diese Vorschrift ermöglich der BaFin, bei Missständen einzuschreiten, die Verbraucherrechte betreffen. Sollte die BaFin diese Allgemeinverfügung erlassen, drohen den betroffenen Kreditinstituten weitreichende Informations- und Nachzahlungspflichten gegenüber Verbrauchern. Diese gelten für langfristige Sparverträge mit variablem Zinssatz aus den Jahren 1990 bis 2010!

Wie konnte es dazu kommen? Bislang wurden Klausel- und Entgeltstreitigkeiten zwischen einzelnen Bankkunden oder Verbraucherschutzverbänden und der jeweiligen Bank ausgetragen. Bei Klagen von Verbrauchern gegen Banken entfalten die Gerichtsurteile nur eine unmittelbare Bindungswirkung zwischen den Parteien. Ein Verband kann der Bank immerhin untersagen lassen, einzelne (Entgelt-)Klauseln weiter zu verwenden, wenn sich diese bei gerichtlicher Prüfung als rechtswidrig herausgestellt haben.

Missstände bei Banken und Sparkassen sollen abgestellt werden

Der BGH hatte den Instituten damals aufgegeben, mit ihren Kunden eine Neuregelung zu finden und sie über die unwirksamen Klauseln zu informieren. Das haben nicht alle Banken und Sparkassen umgesetzt. Sie haben vielmehr eine neue Zinsanpassungsklausel für den Vertrag verwendet. Diese ist aber nach den Vorgaben des BGH für solche Verträge im Falle der hier notwendigen ergänzenden Vertragsauslegung ebenfalls rechtlich nicht zulässig. Außerdem haben die betroffenen Banken wiederum per einseitigem Bestimmungsrecht die geänderte Zinsklausel für den Vertrag verwendet, ohne die Zustimmung des Kunden einzuholen oder ihn über die Vertragsänderung wenigstens zu informieren.

Zum Abstellen dieses Missstandes will die BaFin die Banken und Sparkassen mit öffentlich-rechtlichen Mitteln und ganz konkret mit ihren Eingriffsrechten aus § 4 Abs. 1a FinDAG nun zwingen. Bei weniger einschneidenden Maßnahmen im Vorfeld hatten die Banken, allen voran der DSGV (Deutsche Sparkassen- und Giroverband), kein Einlenken signalisiert. Vielmehr hatte sie die BaFin darauf hingewiesen, dass der Verband die Rechtsprechung des BGH für „verfehlt“ halte. Die Aussage der BaFin dazu: „Ein derartiger Umgang mit aktueller BGH-Rechtsprechung ist nicht weiter tolerierbar.“

Die BaFin nennt hier das Problem beim Namen. Es kann nicht sein, dass Banken oder Sparkassen den regulatorischen Rahmen, der hier vom obersten Zivilgericht vorgegeben wird, vorsätzlich missachten und sich dadurch finanzielle Vorteile zu Lasten der Verbraucher und gegenüber den Banken und Sparkassen verschaffen, welche die BGH-Rechtsprechung korrekt umgesetzt haben.

Die BaFin will darum erreichen, dass alle betroffenen Verbraucher über die Unwirksamkeit der in ihrem Sparvertrag enthaltenen Zinsanpassungsklausel sowie das Fehlen einer allgemeinverbindlichen gerichtlichen ergänzenden Vertragsauslegung zu unterrichten sind.

Banking: Vertiefung im Bachelor im Bereich Wirtschaftswissenschaften an der Allensbach Hochschule

Die Banken haben nach Bekanntgabe der Allgemeinverfügung zwölf Wochen Zeit, diese Pflichten umzusetzen. Andernfalls kann die BaFin ein Zwangsgeld nach § 17 FinDAG in Höhe von bis zu 2,5 Millionen Euro festsetzen. Nächster naheliegender Schritt aus Sicht der Aufsicht wäre wohl die Überlegung, ob ein Vorstand zum Führen der Geschäfte des Instituts im Sinne des KWG (Kreditwesengesetz) weiter geeignet ist, der zunächst die Rechtsprechung des BGH nicht umsetzt und sich dann auch noch den Anordnungen der BaFin widersetzt, diesem Missstand abzuhelfen…

Da die Nachzahlung von Zinsen über Jahrzehnte an unzählige Sparkunden droht und es damit am Ende um handfeste wirtschaftliche Interessen geht, werden sich viele der betroffenen Häuser vermutlich gerichtlich gegen die Allgemeinverfügung zur Wehr setzen. Diese Rechtsstreitigkeiten sind über diesen Fallkomplex hinaus deshalb sehr spannend, weil zur Reichweite der Eingriffsbefugnis der BaFin bisher keinerlei Rechtsprechung existiert und es für alle Beteiligten wichtig zu wissen wäre, in welchem Ausmaß die BaFin dieses Instrument künftig einsetzen darf.

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