Die Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge (im Folgenden „Verbraucherkreditrichtlinie“ oder „Richtlinie“), wurde in den Jahren 2011, 2014, 2016 und 2019 bereits geändert. Ziel der Richtlinie ist es, einen harmonisierten EU-Rahmen für Verbraucherkredite zu gewährleisten. Das soll einen funktionierenden Binnenmarkt für Verbraucherkredite und ein hohes Verbraucherschutzniveau sichern.
Von Prof. Dr. Patrick Rösler, Professor für Bankrecht an der Allensbach Hochschule
Die Evaluierung der Richtlinie hat ergeben, dass zwar hohe Verbraucherschutzstandards eingeführt wurden. EU-weit bestehen aber dennoch keine einheitlichen Standards. Die Richtlinie ist im bisherigen Wortlaut häufig zu unklar. Außerdem muss sich die Verbraucherkreditrichtlinie an neue Produkte und die fortschreitende Digitalisierung anpassen.
Die bevorzugte Option der Kommission zur weiteren Umsetzung der Ziele der Verbraucherkreditrichtlinie sieht eine Änderung der Richtlinie und die Aufnahme neuer Bestimmungen vor. Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:
Die Richtlinie soll künftig auf Darlehen unter 200 Euro (ist in Deutschland ohnehin bereits so), zinslose und entgeltfreie Kredite, alle Überziehungsmöglichkeiten und Leasingverträge sowie Kreditverträge, die über Plattformen für Peer-to-Peer-Kredite geschlossen werden, Anwendung finden. Ebenso sollten Kreditverträge, nach denen der Kredit erst später zurückzuzahlen ist (Buy Now Pay Later), zum Beispiel neue digitale Finanzinstrumente, mit denen Verbraucher Käufe tätigen und sie erst im Laufe der Zeit abzahlen können, sowie Kreditverträge, nach denen der Kredit binnen drei Monaten zurückzuzahlen ist und bei denen nur geringe Kosten anfallen, von der Richtlinie erfasst werden.
Wichtige Neuerung ist die Anwendung der Richtlinie auf Crowdfunding-Dienstleister. Ein Crowdfunding-Dienstleister betreibt eine öffentlich zugängliche digitale Plattform, um potenzielle Kreditgeber mit Verbrauchern zusammenzubringen. Diese Finanzierung kann die Form eines Verbraucherkredits haben.
Die Richtlinie will die Bereitstellung angemessener Erläuterungen und Informationen für den Verbraucher sicherstellen. Die Standardinformationen betreffen die Hauptmerkmale eines Kredits. Diese Vorgaben sind bereits aus der Wohnimmobilienrichtlinie bekannt und werden nun auch im Verbraucherkreditbereich umgesetzt.
Als vorvertragliche Information sind Kreditgeber, Kreditvermittler und Anbieter von Crowdfunding-Kreditdienstleistungen verpflichtet, den Verbrauchern individuell zugeschnittene Informationen auf der Grundlage des Formulars „Europäische Standardinformationen über Verbraucherkredite“ zukommen zu lassen.
Zusätzlich sollen die Verbraucher ein einseitiges Formular „Europäische Standardübersicht über Verbraucherkredite“ mit den wichtigsten Merkmalen des betreffenden Kredits erhalten, um ihnen den Vergleich verschiedener Angebote zu erleichtern.
Kreditgebern, Kreditvermittlern und Anbietern von Crowdfunding-Kreditdienstleistungen sollte es gestattet sein, den Preis ihrer Angebote für bestimmte Verbraucher oder bestimmte Verbrauchergruppen auf der Grundlage automatisierter Entscheidungsprozesse oder der Erstellung von Profilen des Verbraucherverhaltens (Profiling), die ihnen eine Bewertung der Kaufkraft des Verbrauchers ermöglichen, zu personalisieren. Die Verbraucher sollen deshalb darüber aufgeklärt werden, wenn der ihnen angebotene Preis auf der Grundlage einer automatisierten Verarbeitung bestimmt worden ist, damit sie die möglichen Risiken bei ihrer Kaufentscheidung berücksichtigen können.
Wird eine Entscheidung, mit der ein Kreditantrag abgelehnt wird, auf die Abfrage einer Kreditdatenbank gestützt, so soll der Kreditgeber oder Anbieter von Crowdfunding-Kreditdienstleistungen den Verbraucher darüber und über die in der konsultierten Datenbank über ihn enthaltenen Informationen unterrichten.
Kopplungsgeschäfte (zwingende weitere Produkte zum Kreditvertrag) sollen verboten sein. Außer, sie bringen den Verbrauchern unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit und der Preise der betreffenden Produkte nachweislich einen eindeutigen Nutzen. Bündelungsgeschäfte (optionale weitere Produkte zum Kreditvertrag) bleiben dagegen zulässig.
Es sollen Standards für Beratungsdienstleistungen eingeführt werden, eine Verpflichtung zur Beratung soll damit aber nicht verbunden sein. Eingeführt wird nur die Verpflichtung, dass eine ausreichende Zahl von auf dem Markt verfügbaren Kreditverträgen oder Crowdfunding-Kreditdienstleistungen bei der Beratung einzubeziehen ist und die Beratung entsprechend dem Profil des Kreditnehmers erfolgen muss.
Das Verbot des unerbetenen Verkaufs von Kreditprodukten gilt auch für die Zusendung von nicht angeforderten, vorab genehmigten Kreditkarten an Verbraucher. Ebenso gilt es für die einseitige Anhebung des Überziehungskredits/Ausgabenlimits der Kreditkarte von Verbrauchern durch den Kreditgeber ohne vorherige Anforderung oder ausdrückliche Zustimmung der Verbraucher.
Es soll eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten eingeführt werden, Obergrenzen für Zinssätze, den effektiven Jahreszins oder die Gesamtkosten des Kredits festzulegen. In Deutschland besteht ohnehin seit Jahrzehnten die Sittenwidrigkeitsrechtsprechung des BGH. Danach ist ein Kreditzinssatz sittenwidrig und unwirksam, wenn er mehr als 90 Prozent des üblichen Marktzinses für dieses Segment beträgt.
Es sollen Wohlverhaltensregeln und Verpflichtung von Kreditgebern und -vermittlern festgelegt werden. Mitarbeiter müssen über angemessene Fähigkeiten und angemessenes Wissen verfügen. Es sollte daher vorgeschrieben werden, dass auf Unternehmensebene einschlägige Kenntnisse und Fähigkeiten nachzuweisen sind.
Die Kreditwürdigkeitsprüfung sollte auf der Grundlage notwendiger, ausreichender und angemessener Informationen über die finanziellen und wirtschaftlichen Umstände erfolgen. Eine Bereitstellung alternativer Datenquellen für die Kreditwürdigkeitsprüfungen, welche die Grundsätze der DSGVO widerspiegeln, soll möglich sein. Damit hat der Kreditgeber unter Berücksichtigung des Interesses des Verbrauchers auf der Grundlage erforderlicher und angemessener Informationen über Einnahmen und Ausgaben des Verbrauchers sowie andere finanzielle und wirtschaftliche Umstände die Fähigkeit des Verbrauchers zur Rückzahlung des Kredits zu prüfen. Dabei darf er jedoch nicht über das für eine solche Prüfung unbedingt erforderliche Maß hinauszugehen.
Der Kredit darf nur gewährt werden, wenn das Ergebnis der Kreditwürdigkeitsprüfung die Wahrscheinlichkeit erkennen lässt, dass die Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag erfüllt werden können.
Es soll eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten aufgenommen werden, die Finanzbildung der Verbraucher zu fördern. Dies insbesondere in Bezug auf Verbraucherkreditverträge, um die finanzielle Allgemeinbildung der Verbraucher zu verbessern. Das gilt auch für digital verkaufte Produkte. Um die Verbraucher noch besser in die Lage zu versetzen, auf fundierter Grundlage über eine Kreditaufnahme zu entscheiden und verantwortungsvoll mit Schulden umzugehen, sollten die Mitgliedstaaten Maßnahmen unterstützen, durch die die Aufklärung der Verbraucher über eine verantwortungsvolle Kreditaufnahme und ein verantwortungsvolles Schuldenmanagement, speziell im Hinblick auf Verbraucherkreditverträge, gefördert wird.
Dem Verbraucher sollte möglich sein, seine Verbindlichkeiten vor Ablauf der im Kreditvertrag vereinbarten Frist zu erfüllen. Im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung sollte der Kreditgeber Anspruch auf eine angemessene und objektiv gerechtfertigte Entschädigung für die unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten haben, wobei auch mögliche Einsparungen des Kreditgebers zu berücksichtigen sind.
Als erste Bewertung lässt sich feststellen, dass sich viele Vorgaben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie nun auch in der Verbraucherkreditrichtlinie finden. Das gilt ebenso für die Kodifizierung der Vorgaben zur Kreditwürdigkeitsprüfung aus den EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung.
Ab Herbst 2021 befasst sich das Europäischen Parlament mit dem Vorschlag. Es werden viele Monate oder gar Jahre bis zur Einigung über die Richtlinie vergehen. Dann erfolgt erst die aufwändige Umsetzung in nationales Recht und die Praxis.
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