Atypische Kreditsicherheiten: Sicherheitenwert im Bankgeschäft

Atypische Kreditsicherheiten oder Ersatzsicherheiten werden auch als unechte Sicherheiten oder flapsig als „letter to have a warm feeling“ bezeichnet. Dies liegt daran, dass es sich meist – aber nicht immer – um bloße Verpflichtungserklärungen des Kreditnehmers handelt. Der Kreditnehmer ist ohnehin bereits verpflichtet, die Kreditvaluta nebst Zinsen zurückzuzahlen. Wenn er sich daran nicht hält, ist die Frage berechtigt, ob er sich an die Verpflichtung aus weiteren Erklärungen hält. Auch stellt sich die Frage, was die Bank davon hat, wenn sie neben dem Rückzahlungsanspruch aus dem Kreditvertrag einen weiteren Anspruch, im Zweifel auf Schadensersatz, gegen den Kreditnehmer hat.

Im Folgenden wird eine kleine Auswahl dieser atypischen Kreditsicherheiten vorgestellt, die in verschiedensten Varianten vorkommen. Der Artikel schätzt deren Wert als Kreditsicherheit ein.

Von Prof. Dr. Patrick Rösler, Professor für Bankrecht an der Allensbach Hochschule

Patronatserklärung als Kreditsicherheit

Unternehmen übernehmen Patronatserklärungen für ihre Tochtergesellschaften. Entscheidend ist die Differenzierung zwischen weicher und harter Patronatserklärung.

Bei der weichen Patronatserklärung fehlt dem Patron der Rechtsbindungswille für eine verpflichtende Erklärung, die am Ende Zahlungen auslösen kann. Er erklärt z.B. unverbindlich, dass er beabsichtigt, die Tochter in dieser oder jener Weise zu steuern oder dass es seine Geschäftsprinzipien gebieten, dies oder jenes zu tun. Das hat für die Bank als Kreditsicherheit praktisch keinen Wert.

Nur bei der harten Patronatserklärung hat die Bank aber wirklich einen Sicherheitenwert. Dabei gibt der Patron eine Ausstattungsverpflichtung ab. Darin verpflichtet er sich gegenüber der Bank (externe Patronatserklärung), die Tochter finanziell so auszustatten, dass sie ihren Verpflichtungen jederzeit nachkommen kann. Nur damit begründet sich ein Recht der Bank, Leistung des Patrons an die Tochtergesellschaft zu fordern. Ein Recht auf Direktleistung an die Bank direkt aus der Patronatserklärung besteht jedoch nicht.

In der Praxis wird meist erst dann aus der Patronatserklärung vorgegangen und im Zweifel geklagt, wenn die Tochtergesellschaft insolvent ist. Dann besteht aus dem unechten Vertrag zu Gunsten Dritter ein Schadensersatzanspruch der Bank gegen die Patronin, die ihre Ausstattungsverpflichtung verletzt hat.

Bei einer internen Patronatserklärung besteht lediglich ein Anspruch der Tochter gegen die Muttergesellschaft, die Bank kann daraus direkt keine Ansprüche herleiten. Dies kann erst der Insolvenzverwalter, der in der Insolvenz der Tochter deren Ansprüche gegen die Muttergesellschaft geltend machen kann (unter den Gerichten und Juristen umstritten, teilweise wird auch vertreten, die Ansprüche gingen in der Insolvenz unter). 

Organschaftserklärung als Kreditsicherheit

Mit der Organschaftsverpflichtung oder dem Organschaftsrevers verpflichtet sich eine Muttergesellschaft, welche einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit ihrer Tochtergesellschaft geschlossen hat, über diesen Vertrag hinaus für Verbindlichkeiten der Tochter aufzukommen bzw. den Vertrag nicht aufzuheben oder zu kündigen, solange die Bank Ansprüche gegen die Tochtergesellschaft hat. Damit sichert sich die Bank über den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag hinaus für ihr Darlehen an die Tochter ab.

Negativ-/Positiverklärung als Kreditsicherheit

Bei der Negativerklärung verpflichtet sich der Kreditnehmer, keinen anderen Gläubigern auf einem bestimmten Sicherungsgut oder seinem gesamten Vermögen eine Sicherheit einzuräumen. Der Verstoß berechtigt zur fristlosen Kündigung des Darlehens.

Bei der Positiverklärung verpflichtet sich der Kreditnehmer in einem Sicherungsvorvertrag dagegen dazu, auf Anfordern der Bank eine bestimmte Sicherheit auf ein bestimmtes Vermögensobjekt zu bestellen, wie eine Grundschuld auf seiner Betriebsimmobilie. Diese konkrete Positiverklärung gibt einen Anspruch auf eine konkrete Sicherheit. Mann zieht sie häufig dann, wenn sich die Bonität des Schuldners verschlechtert.

Aus der allgemeinen Positiverklärung auf Sicherheitenverstärkung, die auch in Nr. 13 AGB-Banken und Nr. 22 AGB-Sparkassen enthalten ist, kann dagegen nur ein Anspruch auf bankübliche Sicherheiten nach Wahl des Schuldners abgeleitet werden.

Sehr häufig werden Negativ- und Positiverklärung auch in einer Vereinbarung verknüpft. Sie können außerdem noch mit einer Gleichstellungsverpflichtungserklärung ergänzt werden. Einen direkten Sicherungswert kann die Bank diesen Erklärungen nicht beimessen, erst wenn die konkrete Positiverklärung erfolgreich ausgeübt wurde, verfügt sie über einen weiteren Vermögensgegenstand, den sie zur Haftung für das Darlehen heranziehen kann.

Gleichstellungsverpflichtung, Pari-Passu-Klausel als Kreditsicherheit

Mit der in der Praxis wichtigen Gleichstellungsverpflichtung oder Pari-Passu-Klausel verpflichtet sich der Kreditnehmer, seine Kreditgeber sicherheitentechnisch gleich zu behandeln. Wird ein Unternehmen also von mehreren Banken finanziert, darf der Kreditnehmer nur eine (gleichrangige) Grundschuld an der Betriebsimmobilie für alle finanzierenden Banken bestellen und nicht nur für eine der Banken.

Drittsicherheiten, also Sicherheiten, die nicht der Kreditnehmer stellt, werden regelmäßig ebenso von der Verpflichtung erfasst sein, so dass auch diese für alle Forderungen der finanzierenden Banken haften müssen.

Financial Covenants als atypische Kreditsicherheit

Financial Covenants sind eine sehr beliebte Form der „Kreditsicherheit“ im großvolumigen und internationalen Firmenkundengeschäft. Hierbei handelt es rechtlich nicht um einen Sicherheitenvertrag, sondern um Vertragsnebenabreden zum Darlehensvertrag. Die Nebenabreden beziehen sich auf das Einhalten oder auch Erreichen (aufsteigende Covenants) bestimmter betriebswirtschaftlicher Kennzahlen im Unternehmen. Beispiele sind Cash Flow, Eigenkapital, EBIT/EBITDA, Verschuldungsgrad etc.

Zur Überprüfung der Kennzahlen lässt sich die Bank außerdem Informationsrechte einräumen und verpflichtet den Kreditnehmer zu einem konstanten Vorgehen hinsichtlich Bilanzierungsmethodik und Bewertungsmethoden.

Bei Verletzung der Covenants kann die Bank Nachbesicherungsrechte (konkrete/allgemeine Positiverklärung) oder Kündigungsrechte mit dem Kreditnehmer vereinbaren. Möglich ist auch eine Risikomargenerhöhung beim „Reißen“ bestimmter Kennzahlen. Diese muss allerdings möglichst konkret vereinbart sein, um einer AGB-Kontrolle standzuhalten.

Die Bank muss sich bei der Formulierung darüber im Klaren sein, dass solche Vereinbarungen speziellere (Individual-)Vereinbarungen als die Regelungen zu Nachbesicherung und Kündigung in den AGB-Banken/Sparkassen sein können. Diese wären dann für die Fälle des konkreten Covenant-Verstoßes nicht mehr anwendbar.

Atypische Kreditsicherheiten: Zusammenfassung

Atypische Kreditsicherheiten sind meist Verpflichtungserklärungen des Kreditnehmers, aber auch von Dritten. Nur in Ausnahmefällen wie einer harten, externen Patronatserklärung können diese wie herkömmliche Sicherheiten bewertet werden. Financial Covenants sind eher Kreditnehmerüberwachungsinstrumente denn Kreditsicherheiten, obwohl sie meist so heißen.

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